Welche Rolle spielt der Mensch in der Fabrik der Zukunft?

werkshalle_fotoliaArbeit ist im Wandel. Mit Industrie 4.0 wird die Arbeitswelt auf den Kopf gestellt. Der Mensch wird nicht länger jeden Arbeitsschritt in der Produktion dirigieren. In der Fabrik der Zukunft übernehmen das die Maschinen. Über die Rolle der Beschäftigen darin haben Betriebsräte und Gewerkschafter Mitte Oktober auf der Fachkonferenz „Industriearbeit 4.0 – Die Zukunft mitgestalten“ diskutiert. Ihr Fazit: Soll die vierte industrielle Revolution gelingen, müssen die Beschäftigten an ihrer Gestaltung beteiligt werden.

Mit dem Zukunftsprojekt Industrie 4.0 soll Deutschland als wettbewerbsfähiger Produktionsstandort gesichert werden. Doch es geht nicht nur um technologische Veränderungen. Zu beantworten ist auch, was das für Arbeitsinhalte und Arbeitsbedingungen bedeutet.

Die IG Metall mischt sich ein …
Mit Industrie 4.0 ändert sich die Industriearbeit dramatisch. Denn nicht länger werden die Beschäftigten in der Fertigung die Maschinen bedienen. Den Mitarbeitern eröffnen sich andere neue und interessante Arbeitszusammenhänge und -inhalte mit Eigenverantwortung und vielfältigen Entfaltungsmöglichkeiten. Ihre Funktion wird es sein, als Entscheider, Sensor und als Problemlöser einzugreifen. So könnte es werden und das will die IG Metall auch erreichen.

… um die Industriearbeit der Zukunft zu gestalten
Doch es könnte auch ganz anders laufen: Arbeit wird weiter standardisiert und zerstückelt. Die Beschäftigten werden zu einem Rädchen in einer unmenschlichen Cyberfabrik, ohne nennenswerte Handlungskompetenzen, entfremdet von der eigenen Tätigkeit. Damit sich diese Variante nicht durchsetzt, mischt sich die IG Metall und ihre Betriebsräte ein. Wie schon in der Vergangenheit werden sie sich auch bei der vierten industriellen Revolution für humane Arbeitsbedingungen und die Beteiligung der Beschäftigten einsetzen.

Industrielle Revolutionen tragen Veränderungen in sich. Sie bringen enorme technische und soziale Umwälzungen mit. Schon die dritte Stufe der industriellen Revolution in den siebziger Jahren warf bei den Beschäftigten viele Fragen und Ängste auf. Die elektronische Datenverarbeitung zog in die Fabrikhallen ein und Produktionsprozesse wurden automatisiert. Fließband- und Taktarbeit waren neu. Der Arbeitsdruck stieg. Arbeitstakte von weniger als 90 Sekunden Dauer waren keine Seltenheit. Sie bestimmten den Arbeitsfluss und setzten die Beschäftigten unter Druck. Manchmal hilft ein Blick in die Vergangenheit, um die Gegenwart besser zu verstehen. Damals hat die IG Metall bereits erkannt, dass sie aktiv werden muss und sie hat auf diese Entwicklung Antworten gefunden.

Rationalisierung, Leistungsverdichtung und zerstückelte Arbeitsabläufe am Fließband – das war die Situation, die vor 40 Jahren den Beschäftigten zusetzten. Mit dem Lohnrahmentarifvertrag II gelang es der IG Metall im Oktober 1973 die Arbeitsbedingungen zu humanisieren. Sie setzte gemeinsam mit den Beschäftigten nach einem kurzen aber wirkungsvollen Streik die berühmte „Steinkühlerpause“ durch.

Diese Pause, die nach dem damaligen Stuttgarter Bezirksleiter und späteren Vorsitzenden der IG Metall Franz Steinkühler benannt wurde, sichert noch heute Akkordarbeitern fünf Minuten bezahlte Erholungspause und drei Minuten Bedürfniszeit je Stunde zu. Der Lohnrahmentarifvertrag II, der zwischen der IG Metall und dem Metallarbeitgeberverband für die Metallindustrie Nordwürttemberg/ Nordbaden abgeschlossen wurde, mildert die negativen Auswirkungen der zerstückelten Arbeitsschritte. Damals ging es darum, die Arbeitsplätze, den Arbeitsablauf und die Arbeitsumgebung menschengerecht zu gestalten. Und das ist auch bei der vierten industriellen Revolution das Ziel der IG Metall.

Beschäftigte beteiligen …
Die IG Metall mischt sich ein –  auch bei den Beratungen in der Region Ostwestfalen Lippe, wo sich Unternehmen und Wissenschaft als Spitzencluster it’s OWL zusammengeschlossen haben, um das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 zu gestalten. „Es geht darum, die Fülle der Möglichkeiten einer Industrie 4.0 für alle Beschäftigtengruppen im Betrieb zugänglich zu machen und damit Teilhabe und soziale Integration sicherzustellen“, sagt Detlef Wetzel in Paderborn. Die IG Metall will eine Arbeitswelt schaffen, in der

  • die Menschen die Systeme nutzen – und nicht umgekehrt
  • alle Beschäftigten beteiligt werden und sich regelmäßig weiterbilden können
  • kein Platz für prekäre Beschäftigungsverhältnisse ist
  • sich Flexibilität, Lern- und Wandlungsfähigkeit auf Basis intelligent gestalteter Arbeitssysteme entwickeln können.

… als Erfahrungsträger und Entscheider
Auch Professor Dr. Henning Kagermann, Präsident Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech) sieht die neuen Anforderungen für die Beschäftigten. In der „Fabrik der Zukunft“ werde es weniger Maschinenbediener, dafür mehr Erfahrungsträger und Entscheider geben. Selbststeuerung wird die Form fest vorgegebener Arbeitsanweisungen ablösen. Zeitliche Flexibilität und lebenslanges Lernen werden mehr und mehr zu betrieblicher Realität werden, so die Einschätzung des Wissenschaftlers.

Industrie 4.0 wird an die Beschäftigten veränderte Qualifikations- und Kompetenzanforderungen stellen. Notwendig wird daher ein echter Turnaround in puncto Weiterbildung für die Unternehmen. Denn die Firmen fahren ihre Weiterbildungs- und Qualifizierungsanstrengungen seit Jahren zurück. Weiterer wichtiger Aspekt ist die Beteiligung der Beschäftigten, sonst werden wichtige kreative Impulse verschenkt.

Menschen sind der entscheidende Stellhebel, wenn es darum geht, die Produktion neu zu erfinden. Das war bei der dritten industriellen Revolution so, das wird jetzt und auch in Zukunft so sein.