Fünf Fragen an Jörg Hofmann

hofmannVon Stuttgart nach Frankfurt: Jörg Hofmann ist mit 77,73 Prozent von den Delegierten des 6. Außerordentlichen Gewerkschaftstag zum Zweiten Vorsitzenden der IG Metall gewählt worden. Hofmann leitete zuvor zehn Jahre lang die IG Metall in Baden-Württemberg. In Stuttgart hatte der Diplom-Ökonom auch seine Laufbahn als hauptamtlicher Gewerkschaftssekretär begonnen.

Wir sprachen mit Jörg Hofmann darüber, was er sich für seine Amtszeit als Zweiter Vorsitzender der IG Metall vorgenommen hat, welche Themen die Gewerkschaft anpacken sollte und was er unter beteiligungsorientierter Betriebspolitik versteht.

Jörg, herzlichen Glückwunsch zur Wahl. Zeit für einen kurzen Blick zurück: Was war für Dich das wichtigste Ereignis in den vergangenen Monaten?
Natürlich die Bundestagwahl. Es hängt ja auch für die IG Metall viel davon ab, wer regiert. Unsere Forderung nach einem Politikwechsel haben wir vor der Wahl erhoben – und sie bleibt aktuell. Allerdings begeistert mich der aktuelle Stand der Koalitionsverhandlungen nicht. Von einem Politikwechsel ist nicht viel zu erkennen. Es ist gut, dass die Themen Leiharbeit und Werkverträge Teil der Verhandlungen zwischen Union und SPD sind. Aber zufrieden kann man mit dem bekannten Gesprächsstand nicht sein. Wir brauchen eine Regierung, die sich klar gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen stemmt und den Betriebsräten auch entsprechende Mitbestimmungsrechte an die Hand gibt. Außerdem fehlt konkretes und weitgehendes zu Themen wie abschlagsfreie Rente für langjährig Versicherte und flexible Altersübergänge. Das sind drängende Themen für die abhängig Beschäftigten und sie erwarten von einer Regierung, dass sie sich darum kümmert und nicht mit wachsweichen Formulierungen versucht die Themen zu ersticken.

Was hast Du Dir für Deine Amtszeit als geschäftsführendes Vorstandsmitglied vorgenommen?
Wir dürfen bei all den schweren inhaltlichen Brocken, die wir in der kommenden Zeit vor uns haben, die Basis der IG Metall nicht aus den Augen verlieren: Unsere Verankerung im Betrieb. Die Arbeit der Betriebsräte und Vertrauensleute. Wir müssen konsequent an unserer stabilen Mitgliederentwicklung weiterarbeiten, betrieblich präsent sein und als IG Metall Flagge zeigen.

Um welche Themen sollte sich die IG Metall Deiner Meinung nach in den nächsten Jahren vorrangig kümmern?
Den Wandel der Arbeitswelt weiter gestalten, den Arbeitsmarkt neu ordnen. Leiharbeit und Werkverträge werden nicht von unserer Agenda verschwinden. Wir müssen diese Beschäftigungsformen eindämmen und regulieren und wir brauchen eine wirkungsvolle Mitbestimmung von Betriebsräten in diesen Fragen.
Es braucht eine neue Balance zwischen den Arbeitszeitwünschen der Menschen und den Flexibilitätsansprüchen der Betriebe. Außerdem müssen wir passende Antworten auf den demografischen Wandel geben. Und es gibt nach wie vor großen Handlungsbedarf bei der Chance auf berufliche Entwicklung. Das sind dicke Bretter, die es zu bohren gilt.

Als Bezirksleiter warst Du maßgeblich an der Beschäftigtenbefragung beteiligt. Welche Aussage der Befragung ist Dir besonders wichtig?
Die gesamte Bandweite an gewonnenen Erkenntnissen ist gewaltig. Die Breite der Befragung und die vorliegenden Ergebnisse erlauben uns eine Auswertungstiefe, wie wir sie als IG Metall noch nie gehabt haben. Und der daraus ableitbare Handlungsbedarf lässt sich sogar auf einzelne Betriebe herunterbrechen. Letztlich ist wichtig, dass über eine halbe Million Mitglieder und Nichtmitglieder ihre Erwartungen an die Arbeitswelt der Zukunft formuliert haben. Sie müssen wir nun bei der Suche nach Schlussfolgerungen und Prioritäten beteiligen. Im Betrieb und in der Verwaltungsstelle. Das ist unsere Verantwortung. Es gibt das Sprichwort: “Wer nicht an die Zukunft glaubt, sollte keinen Baum pflanzen.“ Wir haben den Baum gepflanzt und sind nun verantwortlich dass er gedeiht und Früchte trägt.

Auf einer Bezirkskonferenz in Baden-Württemberg sprachst Du von einer beteiligungsorientieren Betriebspolitik. Was genau stellst Du Dir darunter vor?
Dass es selbstverständlich wird, die Beschäftigten nicht nur über die Arbeit des Betriebsrats zu informieren, sondern sie beteiligen. Dass wir präsent sind in den Abteilungen, Möglichkeiten der Mitgestaltung eröffnen. Und deutlich machen: Mitglieder in der IG Metall sind dabei, wenn es um Entscheidungen über die Zukunft von Arbeitsplätzen, Entgelt und Arbeitsbedingungen geht. Mitglieder sind Mitentscheider.

Kurz-Biografie Jörg Hofmann / Short Biography Jörg Hofmann (english)